Chronik des Tennisclubs Neuenbürg
Angefangen hat alles auf dem Tennisplatz beim Neuenbürger Krankenhaus. Dieser Platz gehörte zum Wohnhaus des damaligen Chefarztes Dr. Böcker, dessen Ehefrau Anni eine leidenschaftliche Tennisspielerin war. Zwar konnte sie wegen der Beschlagnahmung ihres Hauses durch die IRO (Internationale Flüchtlingsorganisation) nicht dort wohnen, aber den Tennisplatz konnte sie 1948 einer Gruppe von Sportbegeisterten zur Verfügung stellen. In Neuenbürg hatten sich schon vorher einige Leute zusammen gefunden, die eigentlich Tischtennis im Haus von Dr. Kurz spielten. Dazu gehörten Glasermeister Hans Bentel, Regine Gebek, deren Vater eine Uniformschneiderei in der Marktstraße betrieben hatte, Otto Kienzle aus dem „Schwabenbräu“, Walter Här, Hanne und ihr Bruder Fritz Kirn. Hinzu kamen Männer und Frauen, die Ende des Krieges ihre Heimat verlassen mussten und in Neuenbürg einen Neuanfang suchten, wie Gerhard und Katharina Moldenhauer aus Pommern, der Physiker Dr. Trost aus Berlin (Mitbegründer der Fa. Bertold), Familie Powroslo, Familie Ploch und andere. Sie hatten meist schon früher Tennis gespielt und suchten nach einem Sport, den sie im Alter von 30 Jahren oder älter noch längere Zeit ausüben konnte. Den „Neuen“ gab Anni Böcker Trainerstunden. So erweiterte sich der Kreis der Tennisbegeisterten schnell und man schloss sich am 1. April 1949 als eigene Abteilung dem „Sportverein“ an, einem durch die französische Besatzungsmacht erzwungenen Zusammenschluss aller in Neuenbürg Sport treibenden Vereine.
Die Mitglieder waren vielleicht nicht ganz mittellos, doch waren weder die Neuenbürger noch die Zugezogenen reiche Leute. Wie also alles finanzieren, was zu diesem Sport gehört: Plätze, persönliche Sportkleidung (natürlich alles in weiß), Schläger, Bälle, Schuhe. Ohne Personen, die finanziell kräftig ausgeholfen hatten, wäre das Spiel im Verein für alle ein Traum geblieben. Einer der bekanntesten war die deutsche Tennis-Legende Freiherr Gottfried von Cramm (1909 – 1976), mehrfacher French-open-Sieger, Wimbledon-Finalist und Sieger in etlichen anderen Turnieren. Er war mit Herrn Rissmann bekannt und dieser brachte ihn dazu, Tennisschläger zu besorgen und nach Neuenbürg zu bringen. Tatsächlich kam er, nächtigte im „Ratsstüble“ und hatte vier Schläger im Gepäck. Einen hebt Familie Genßle noch heute auf. Ob diese Schläger die Spieler zu Höchstleistungen beflügelten? Jedenfalls nahm man schon ab 1951 mit Erfolg an den jährlichen Verbandsrunden teil.
Der Spielbetrieb auf dem Privatplatz von Frau Böcker war nicht unkompliziert. Und weil es immer mehr Interessenten gab und deshalb lange Wartezeiten, entstand der Wunsch nach eigenen Plätzen. Immerhin bestand der Club 1953 schon aus 28 Mitgliedern. Als dann 1953 der „Sportverein“ wieder zu seiner ursprünglichen Struktur zurückkehren konnte, gründete sich die Tennis-Abteilung als „Tennis-Club Neuenbürg“. Zum 1. April 1954 wurde er mit 35 Mitgliedern als selbständiger Verein in den WLSB (Württembergischer Landessportbund) aufgenommen.
Als Reinhold Wenz, der Inhaber des damaligen Pforzheimer Versandhauses, 1955 Vereinsvorstand wurde, nahm der Plan eigene Plätze zu bauen, konkrete Formen an. Im Breiten Tal fand man ein geeignetes Gelände. Für insgesamt ca. 14.500 DM konnten zwei Plätze entstehen. Doch wie das finanzieren? Wenz selbst bürgte für den Kredit und andere, wie der Unternehmer Dr. Gerhard Wanner, der Jurist Helmuth Stärker und andere sammelten beharrlich Geld bei Neuenbürger Unternehmern. So gelang es, mehrere tausend D-Mark von Neuenbürger Unternehmern zu bekommen. Hinzu kamen Eigenleistungen in ähnlicher Höhe. Noch nicht dabei waren eine Beregnungsanlage sowie Toiletten und Umkleidekabinen kamen später hinzu. Wie sich Katharina Moldenhauer erinnert, hatten die Mitglieder früher selbst die Röhren verlegt, in denen das Wasser aus der Enz zu den Plätzen gepumpt wurde, um sie zu beregnen. Als die Plätze 1957 fertig waren, hatte der Verein 78 Mitglieder – und er wuchs ständig weiter. Obwohl der Mitgliederbeitrag mit 40 DM für damalige Verhältnisse ein beachtlicher Betrag war. Neben Einzelpersonen waren vor allem ganze Familien Mitglied. Kinder und Neuanfänger waren willkommen und erfahrene Spieler nahmen sich Zeit für Spiel und Training.
Mehrere sehr gute Spieler im Verein, darunter Fritz Kirn, führten bald dazu, dass Freundschafts-Turniere in der näheren und ferneren Umgebung gespielt wurden. Im Gedächtnis geblieben sind die Turniere in Calw, wo der damalige Chefarzt des Krankenhauses mitspielte. In Zeiten ohne Handy oder Piepser hat die Rufbereitschaft so funktioniert: Da die Anlage in Sichtweite des Krankenhauses lag, wurden weiße Bettücher aus dem Fenster gehängt. Dies war das Zeichen für den Mediziner, wenn er im Krankenhaus gebraucht wurde.
Der Verein zählte 1960 immerhin schon 90 Mitglieder, davon viele Familien. Und es waren dies nicht nur Leute, für die es kein Problem war, Mitgliedsbeiträge, Sonderzahlungen oder Schläger für 300 DM zu kaufen und die sich damit vom Rest der Bevölkerung abheben konnten und vor allem wollten. Die meisten waren von der Bewegungsart fasziniert und schätzten darüber hinaus die Geselligkeit, das gemeinsame Spiel und das Zusammensein in der Anlage im Breiten Tal oder auswärts bei Turnieren. Bevor es Fitness-Center und Nordic walking gab, suchte manch einer nach einer Sportart, die man auch im Freien ausüben konnte. Tennis bot sich dafür an, hier traf man viele Leute, konnte Kontakte knüpfen und in geselliger Runde Sport treiben. So fand manch einer auch über verschlungene Pfade zum Tennis z. B. über Waldlauf und brachte es dennoch zu beachtlichen Leistungen.
Die ständig steigenden Mitgliederzahlen erforderten weitere Plätze, außerdem waren ein Clubhaus mit Umkleidekabinen, Toiletten und ein Casinobetrieb wünschenswert. Die Debatte über den Bau eines Clubhauses war sehr schwierig und führte zu großen Spannungen. Dennoch wurde es gebaut und im Sommer 1963 eingeweiht. Kurze Zeit später konnte auch ein Allwetterplatz auf dem Gelände der heutigen Halle in Betrieb genommen werden. Aber die nächsten Wünsche erschienen schon am Horizont – eine Halle. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung im August 1975 beschloss den Bau einer Halle, um einen Winterbetrieb zu ermöglichen, Gesamtbaukosten: 600.000 DM. Wiederum sorgte dieser Beschluss für große Spannungen. Doch unter der Vorstandschaft von Kurt Brombacher, Werner Siemund, Karl Weber und der tatkräftigen Hilfe von Ernst Käfer gelang der Kraftakt: Am 14. Juni 1976 war Richtfest. Mit dieser Halle hatte man erhebliche Kredite aufnehmen müssen und auch die Arbeitsleistungen der Mitglieder waren noch stärker gefordert. Dennoch wurde der Aufwand durch Erfolg belohnt.
Neuenbürg hatte zumindest für zwei Jahre die einzige Halle in der der Umgebung. So war die Belegung hoch und die Re-Finanzierung schien überschaubar. Allerdings ging dies nicht ohne die stattliche finanzielle Unterstützung durch Mitglieder wie Philipp Schaich, um nur diesen einen Namen zu nennen. Andere leisteten Bürgschaften und gaben Privatkredite. Mit dem Bau von weiteren Hallen in der Umgebung wuchs die Sorge, die Belegung könne zurück gehen. Um „konkurrenzfähig“ zu bleiben, wurde vorgeschlagen, noch weitere Plätze zu bauen, und über mehr Mitglieder die Belegung zu sichern. Zu dieser Zeit war die Mitgliederzahl bis fast 300 angestiegen. Und das, obwohl die Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren stattlich waren: 1974 wurden 350 DM Aufnahmegebühr, ein Jahresbeitrag von 280 DM und eine einmalige Umlage von 100 DM verlangt.
Der Finanzbedarf war hoch, die Einnahmen durch Mitglieder und Gäste auch. Dennoch war viel ehrenamtliche Arbeit zu leisten: Platzpflege, Pflege des Clubhauses mit Casinobetrieb, Jugendarbeit, Arbeit in den Außenanlagen usw. Wären da nicht viele Personen gewesen, die die auf sich genommen hätten, wäre der TCN nie zu einem erfolgreichen Verein geworden: August und Hanne Genßle, die an anderer Stelle genannten Vorstände, Katharina Moldenhauer, Fritz Kirn, Lilo Deininger und die vielen anderen, die hier ungenannt bleiben.
Das 25-jährige Jubiläum konnte mit Stolz begangen werden. Allerdings zeigten sich auch hier Tendenzen wie in vielen Vereinen. Mit dem Wunsch, junge Mitglieder oder Neu-Anfänger zu gewinnen, war die Bereitschaft, sich ihnen auch zu widmen, gefordert. Bei der starken Belegung der Plätze durch die langjährigen Mitglieder einerseits und dem wachsenden sportlichen Ehrgeiz als Mannschaft erfolgreich zu sein andererseits, war dies nicht immer konfliktfrei. Der Bau eines neuen Platzes 1978/ 79 bei der Ski-Hütte auf dem Buchberg ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen. Mitglieder des Ski-Vereins suchten nach einem Sport, den sie auch im Sommer ausüben konnten, viele interessierten sich deshalb für Tennis. Sie wollten den Sport aber ohne Wettkampf-Charakter ausüben. Ihr Projekt gelang, und bei Einweihung des ersten Platzes 1979 hatten sich schon etwa 60 Mitglieder eingetragen. Der Tennis-Sport war auf dem besten Wege, sein elitäres Image abzulegen.
In den 1970er Jahren kamen Jugendliche in den Verein, die unter der Anleitung von Katharina Moldenhauer und später auch Karl Weber ihre ersten Schläge übten. Tennislehrer wie John Helmle und Otto Kratochwille, zeitweise sogar Klaus Hofsäß, der spätere Bundestrainer, trugen erheblich dazu bei, dass die Damen- und Herren-Mannschaften des TCN zu einer festen Größe in den Bezirksligen und der Verbandsklasse wurde. (Siehe dazu auch „Die sportliche Seite in unserem Verein“.)
Besonders hervorzuheben ist die engagierte Jugendarbeit: Unter der Vorstandschaft von Karl-Philipp Schaich und Dr. Günter Gießwein ging man auf Schulen zu und hatte ein breite Palette von Schnupperstunden bis Tennis-Camps im Angebot. Das hat sich bis heute erhalten und wird von Beate Gegenheimer und Sylvia Kühnemund in Zusammenarbeit mit dem Tennislehrer Thomas Frank mit viel Engagement durchgeführt.
Auch für das gesellige Vereinleben ließen sich Mitglieder schon in der Frühzeit des Vereins einiges einfallen. In Erinnerung geblieben ist den älteren Mitgliedern die Auto-Rallye „Quo vadis TCN“ durch die Region, die Jürgen Widmann 1970 konzipiert hatte. Auch Ausflüge in den Südschwarzwald unter Leitung von Hans Oberhofer sind unvergessene Erlebnisse. War es über Jahrzehnte so, dass die Familien den Sonntag auf dem Platz verbrachten, so änderte sich dies in den 1970/ 80er Jahren. Mit der Halle konnte auch im Winter gespielt werden und viele Mitglieder fanden sich am Samstagabend zu regelmäßigen Runden zusammen. Die Freundschaftsspiele mit dem Verein im lothringischen Metz waren über Jahre ein fester Termin und begründete auch private Freundschaften. Neben den Turnieren nahm man auch am gesellschaftlichen Leben der Stadt Neuenbürg teil. Bei Stadtfesten und Märkten wurde und wird noch immer bewirtet und die Möglichkeiten für Jux-Spiele geboten.
In den letzten Jahren war die Sanierung der Halle mit Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten das größte Projekt. Isolde Müller, Mitglied des Vorstands, hat dies couragiert in die Hände genommen und unter Mithilfe von Hans Oberhofer in bester Weise durchgezogen. Dafür ist auch den Neuenbürger Handwerkern zu danken, die sich hier über das übliche Maß hinaus engagierten. Die ganze Anlage, ohnehin in landschaftlich schöner Lage, präsentiert sich heute auch infrastrukturell auf modernem Niveau. So gesehen ist der TCN gut gerüstet für die nächsten 60 Jahre. Und obwohl der Tennissport insgesamt nicht mehr die prominente Bedeutung hat wie in den 1980er und 1990er Jahren befinden wir uns heute in einer Phase der Konsolidierung. Durch die gute Jugendarbeit im Verein, die alle Gesellschaftsschichten anspricht, gelingt es vielleicht bald wieder in an alte Erfolge im Mannschaftswettbewerb anzuknüpfen.
Tennis ist und bleibt ein Sport, den man von frühester Jugend bis ins hohe Alter spielen kann. Derzeit erstreckt sich die Alterspanne von 4 Jahren („Bambini-Gruppe“) bis zu dem ältesten Aktiven im Alter von 82 Jahren. So sind die ehemals vielleicht auch vorhandenen elitären Züge des Vereins heute nicht mehr wahrnehmbar. Heute präsentiert sich der TCN als ein Sportverein, in dem Tennis-Interessierte aller Altersstufen ihren Sport lernen und ausüben können. Wir wünschen dem TCN, dass dies noch lange so bleibt.
Bei Turnieren in Reutlingen spielte Hanne Genßle mehrfach gegen eine damals schon etwas ältere, aber sehr routinierte und erfahrene Frau. Diese Dame, die von der Ostsee stammte, erzählte, dass sie in ihrer Jugend oft mit dem Kronprinzen, also dem Sohn des deutschen Kaisers Wilhelm II. am Urlaubsort der kaiserlichen Familie in Zopprot gespielt habe.
Ein Erlebnis ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: Eine ihrer Gegnerinnen, die Frau eines Zahnarztes, hatte ein so schlecht sitzendes Gebiss, das ihr dieses während des Spiels ständig verrutschte. Mit heftigen, grimassenartigen Bewegungen beförderte sie dieses wieder an seinen richtigen Platz. Hanne meint schmunzelnd, es sei eine sehr erfolgreiche Strategie gewesen, um die Gegnerinnen aus dem Konzept zu bringen.